Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen nutzt ihr Smartphone „täglich“ oder „fast ständig“. Damit ist sowohl der Anteil der neun- bis 16-jährigen Smartphone-Nutzer, als auch die Dauer ihrer Internetnutzung im Vergleich zur EU Kids Online-Studie von 2010 erheblich gestiegen. In einigen Ländern hat sich die Zeit, die Heranwachsende jeden Tag online verbringen, sogar fast verdoppelt. Trotzdem erhalten viele Kinder bisher wenig Unterstützung und Hinweise für eine sichere Online-Nutzung — weder von Eltern noch von Lehrern oder Freunden. Dabei spielen vor allem Eltern und Freunde als Ansprechpartner bei negativen Online-Erfahrungen eine wichtige Rolle. Lehrer oder Fachkräfte hingegen werden nur selten zu Rate gezogen. Dies sind Ergebnisse der vergleichenden EU Kids Online-Studie, die das Forschungsnetzwerk anlässlich des Safer Internet Days veröffentlicht.

Der neue international vergleichende Ergebnisbericht „EU Kids Online 2020: Survey results from 19 countries“ untersucht die Online-Chancen, -Risiken und -Erfahrungen von Kindern im Alter von 9 bis 16 Jahren in Europa. Teams des EU Kids Online-Netzwerks haben dafür zwischen Herbst 2017 und Sommer 2019 insgesamt 25.101 Kinder befragt. In den Vergleich sind u. a. auch die Daten aus einer deutschen Repräsentativbefragung eingegangen.

Risikoerfahrungen sind nicht immer negativ

Zu den Risiken, denen Kinder und Jugendliche bei der Internetnutzung begegnen, zählen unter anderem Cybermobbing, die Rezeption problematischer nutzergenerierter Inhalte, Datenmissbrauch, exzessive Internetnutzung, Sexting und Treffen mit Online-Bekanntschaften. Die Befunde machen deutlich, dass nicht alle risikobehafteten Medienphänomene zwangsläufig eine negative Erfahrung nach sich ziehen. Ein Beispiel hierfür stellt das Treffen mit Online-Kontakten dar. Für die Mehrheit der 5% (Frankreich) bis 25% (Serbien) der Kinder und Jugendlichen, die sich im letzten Jahr mit einer Online-Bekanntschaft getroffen haben, war dies eine positive Erfahrung. So geben zwischen 52% (Slowakei) und 86% (Rumänien) von ihnen an, das Treffen habe ihnen gefallen. Allerdings kann die Begegnung mit fremden Personen aus dem Internet durchaus auch eine belastende Erfahrung sein. Dies ist aber eher die Ausnahme: In den meisten Ländern empfanden weniger als 5% ein solches Treffen als unangenehm.

Fehlende Unterstützung von Lehrern und Fachkräften

7% (Slowakei) bis 45 % (Malta) der Kinder und Jugendlichen haben nach eigener Aussage im letzten Jahr online etwas erlebt, das schlimm oder verstörend für sie war. Die meisten von ihnen gaben an, so etwas sei nur sporadisch, d. h. ein paar Mal im Jahr, vorgekommen. Daraufhin haben sich die meisten ihren Eltern oder Freunden anvertraut. Lehrer oder geschulte Fachkräfte wurden nur selten adressiert. Darüber hinaus gibt eines von zehn bis eines von vier Kindern an, dass sie von Eltern, Lehrern oder Freunden nie oder fast nie Hinweise für eine sichere Online-Nutzung erhalten haben.

Deutsche Kinder scheinen mit Online-Risiken vergleichsweise gut umgehen zu können

„Obwohl die meisten Kinder und Jugendlichen in Deutschland verhältnismäßig häufig das Internet nutzen, ist das Spektrum an Online-Aktivitäten – ähnlich wie bei den italienischen Kindern – vergleichsweise eng. Wenn sie Online-Risiken begegnen, scheinen sie mit diesen vergleichsweise gut umgehen zu können, zumindest nehmen die meisten diese Erfahrungen nicht als belastend wahr. Die Befunde verweisen darauf, dass Kinder aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten sich hinsichtlich ihres Risikoverständnisses und ihrer Risikowahrnehmung unterscheiden“, sagt Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut und Koordinator des EU Kids Online-Forschungsverbundes.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Konfrontation mit einem Risiko nicht zwangsläufig negative Folgen haben muss. Dennoch gilt es, insbesondere diejenigen im Blick zu haben, die negative Erfahrungen machen und denen entsprechende Medien- und Bewältigungskompetenzen fehlen. „Kinder benötigen neben verlässlichen Ansprechpartnern verschiedene Medienkompetenzen und Coping-Strategien, die sie flexibel einsetzen können und die ihnen helfen, die Potenziale des Internets zu nutzen und den Herausforderungen im Netz souverän zu begegnen“, so Hasebrink.

Weiterführende Informationen

Der international vergleichende Bericht „EU Kids Online 2020: Survey results from 19 countries“ gibt einen Überblick über die Online-Erfahrungen europäischer Kinder und Jugendlicher und zeigt Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern auf.
Der vollständige Bericht ist hier verfügbar. 

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